Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und EDV e.V. (AGE)

Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und EDV e.V. (AGE)

Organisatoren
Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und EDV e.V. (AGE)
Ort
Trier
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
30.11.2023 - 01.12.2023
Von
Peter Christian Meis / Patrick Reinard, Papyrologie, Universität Trier

Die seit 1993 bestehende Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und EDV e.V. (AGE) veranstaltet regelmäßig Jahrestreffen. Im 30. Jahr des Bestehens fand die Tagung an der Universität Trier statt. Der erste Tagungstag war durch zwei längere, workshopartige Vorträge geprägt, die durch Diskussions- sowie Besichtigungsphasen untergliedert waren.

HENNING BUDDENBAUM (Trier), GABRIEL THIES (Trier) und PATRICK REINARD (Trier) gaben einen Einblick in die Aktivitäten des PapyHyp-Projektes. Ziel des Projektes ist die komplette Aufnahme der Trierer Papyri mit Hyperspektralkameras sowie die Verfügbarmachung der Abbildungen in einer Datenbank. Nach einer Präsentation einzelner Papyri wurde die praktische Scanarbeit im Fernerkundungslabor der Universität Trier sowie die Datenumwandlung der Papyrusaufnahmen vorgeführt und über zukünftige Potenziale, u.a. hinsichtlich der Entwicklung digitaler paläographischer Hilfsmittel, diskutiert.

CHRISTIAN BECK (Trier), MAX FIEDERLING (Trier) und LEIF SCHEUERMANN (Trier) stellten den aktuellen Stand des ERC-Projektes STRADA vor, das sich der Infrastruktur- und Verkehrssituation in der Region zwischen nördlicher Adria und Lauriacum am Limes Noricum widmet. Die archäologischen, epigraphischen und literarischen Quellen, frühneuzeitliches Kartenmaterial, Hochwasserdaten bzw. -berechnungen und topographisch-geographische Beobachtungen werden ausgewertet, um erstmals ein detailliertes Bild der Land- und Binnenwasserwege in der Region zu erstellen, welches Simulationen antiker Transport- und Handelsaktivitäten ermöglichen wird. Die in diesem Leuchtturmprojekt erarbeitete digitale Methodik kann später auch auf anderer Regionen mit ähnlicher Quellenüberlieferung angewendet werden.

Am zweiten Tag folgten sieben Einzelvorträge. CHRISTOPH SCHÄFER (Trier) stellte die historischen, digitalen und experimentalarchäologischen Untersuchungen und Arbeiten des Trierer DIMAG-Projektes (Digitaler Interaktiver Maritime Atlas zur Geschichte) vor. Dabei wurden auch die Messmethoden und -instrumente vorgeführt, die bei den Mittelmeertestfahrten der Bissula, einem Nachbau eines römischen Seehandelsschiffs der hohen Kaiserzeit, zum Einsatz kamen. Erstmals war es möglich, authentische Daten über die Schiff- und Segeleigenschaften, die Reisezeiten etc. zu erheben und damit die realistischen Möglichkeiten antiker Handelsseefahrt bei unterschiedlichen Wetter-, See- und Windbedingungen zu rekonstruieren. Die experimentalarchäologisch gewonnenen Datensätze sind die Grundlage für die Modellierung von Reisegeschwindigkeiten bei unterschiedlichen Wetterbedingungen, die in dem digitalen Atlas präsentiert werden. Dieser wird als eine dynamische Datenbank verlässlich abrufbare Informationen über Seereisegeschwindigkeiten in der römischen Kaiserzeit bieten.

Das Projekt und die App ARGO – Augmented Archaeology wurden von ROSEMARIE CORDIE (Trier) und TORSTEN MATTERN (Trier) vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein transnationales, von der EU gefördertes Leader-Projekt, an dem neben der Universität Trier als Projektträgerin, neun LAGs (LEADER-Aktionsgruppen) teilnehmen; sechs stammen aus Rheinland-Pfalz sowie drei aus Luxemburg. Neben der Entwicklung des Projekts und dem Aufbau der App wurden auch einzelne Beispiele der digital rekonstruierten Gebäude vorgeführt. Außerdem wurden die Kriterien erläutert, nach denen die digital zu rekonstruierenden Gebäude ausgewählt wurden. Dabei stand nicht nur das Tourismusmanagement im Vordergrund, sondern auch die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung sowie die notwendige Verfügbarkeit archäologischer Daten. Zuletzt wurde in einem Ausblick auch auf die Möglichkeiten einer Erweiterung nach Nordrhein-Westfalen, dem Saarland oder Frankreich eingegangen.

ARMIN BECKER (Xanten) sprach über neue Grabungsergebnisse und -funde im Archäologischen Park Xanten, sowie über den Stand der Digitalisierung vorhandener Grabungspläne älterer Ausgrabungen. Im Fokus stand dabei zunächst der Fund eines Mauerrestes, der eventuell als Rest eines Legionslagers „Vetera III“ zu identifizieren ist. Danach berichtete er von den großen Beständen von Grabungsplänen, die in Xanten vorliegen und bisher nur teilweise digitalisiert sind. Die Digitalisierung dieser Pläne soll dabei nicht nur dazu dienen, ältere Grabungen und Funde publizieren zu können, sondern hilft auch bei neuen Grabungsprojekten, die Erkenntnisse zum spätantiken Tricensimae bringen könnten.

Das sogenannte Laurenziburg-Projekt von ELMAR RETTINGER (Mainz) und Leif Scheuermann beschäftigt sich mit der digitalen Rekonstruktion der gleichnamigen Burg in Nieder-Olm im Landkreis Mainz-Bingen. Neben einem Überblick über die Quellen zu der einst im Mittelalter errichteten Stadtburg und ihrer Historie bis in die Neuzeit wurde auch die Methodik der digitalen Rekonstruktion sowie deren Einsatz in der lokalen Wissensvermittlung thematisiert. Des Weiteren wurde auch exemplarisch über die Möglichkeit verschiedener Crowdfunding-Plattformen und -optionen, die bei der Realisierung von kultur- und geschichtswissenschaftlichen Projekte eingesetzt werden, diskutiert.

MAXIMILIAN KALUS (Kempten) beleuchtete Stärken und Schwächen aktuell auf dem Markt verfügbarer Datenbanksysteme. Exemplarisch sprach er die verschiedenen Bedürfnisse unterschiedlicher historischer Projekte und deren – hinsichtlich Quantität und Beschaffenheit – verschiedenartige Quellenbestände an und zeigte auf, welches Datenbanksystem für welches Projekt am günstigsten und effizientesten einzusetzen ist. Sehr gut verdeutlichte er, wie wichtig die langfristige und frühzeitige Planung sowie – auch mit Bezug auf die Kosten – ein grundsätzliches Reflektieren darüber ist, was eine Datenbank wirklich können und wie groß eine solche wirklich sein muss.

JOHANNES IBEL (Bayreuth) stellte die digitale Infrastruktur des Bundesarchivs vor. Der Schwerpunkt lag auf den Akten und Materialien zur Wiedergutmachung und Entschädigung nationalsozialistischen Unrechts. Der Vortrag beleuchtete das Datenmanagement, die Datenaufnahme und die Zugänglichkeit und Verfügbarmachung der Datensätze, die aufgrund ihrer historischen Komplexität sowie der schieren Aktenanzahl eine besondere Herangehensweise erfordern. Den Wert der hier geleisteten Projektarbeit, die eine digitale Verfügbarkeit und Recherche erzeugen wird, kann man kaum überschätzen. Sehr intensiv wurden Güte und Probleme verschiedener OCR-Programme beim Erkennen und Bearbeiten von Archivmaterialien vorgeführt.

Zum Tagungsabschluss widmete sich THOMAS GROTUM (Trier) den umfangreichen Forschungsprojekte und Aktivitäten der Forschungsstelle SEAL an der Universität Trier. Neben verschiedenen Projekten und dem jeweiligen Umgang mit digitalen Quellen- und Datensammlungen – u.a. zur Gestapo-Kartei der Staatspolizeistelle Neustadt/W., der Geschichte der Gestapo Trier, dem KZ-Außenlager Bruttig-Treis, dem Frauenlager Flussbach, dem KZ-Außenlager „Rebstock“ oder einem Projekt zum Thema ‚Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen erwachsenen Personen durch Kleriker/Laien (1946 bis 2021) – wurde auch auf Ausstellungsunternehmungen hingewiesen sowie die Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung (iia) vorgestellt. Des Weiteren stellte Thomas Grotum einen digitalen Erinnerungsatlas vor, in welchem Gedenkstätten und Erinnerungsorte in der Großregion (Belgien, Frankreich, Luxemburg, Rheinland-Pfalz) gesammelt sind.

Konferenzübersicht:

Henning Buddenbaum (Trier) / Patrick Reinard (Trier) / Gabriel Thies (Trier): Scannen – Interpretieren – Entziffern: Das PapyHyp-Projekt

Christian Beck (Trier) / Max Fiederling (Trier) / Leif Scheuermann (Trier): Simulation Transport between the Adriatic Sea and The Danube

Christoph Schäfer (Trier): Der Digitale Interaktive Maritime Atlas zur Geschichte (DIMAG)

Torsten Mattern (Trier) / Rosemarie Cordie (Trier): ARGO – Antike Realität mobil erleben

Armin Becker (Xanten): Zur Umstellung der archäologischen Grabungsdokumentation auf ein GIS-basiertes System im LVR-Archäologischer Park Xanten

Maximilian Kalus (Kempten): Welche Datenbank nehme ich für mein nächstes Projekt?

Elmar Rettinger (Mainz) / Leif Scheuermann (Trier): Das Laurenziburg-Projekt. Neue Wege der Finanzierung digitaler Projekte

Johannes Ibel (Bayreuth): Zugänglichkeit zu Archivgut des Bundes zur Wiedergutmachung und Entschädigung nationalsozialistischen Unrechts im Bundesarchiv

Thomas Grotum (Trier): Die Forschungs- und Dokumentationsstelle SEAL